Das Münchhausen-Stellvertretersyndrom (MBPS)

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Münchhausen-Stellvertretersyndrom (MBPS)

Wenn Mütter ihre Kindern quälen

Es gibt Menschen, meist sind es Mütter, die ihre Kinder misshandeln, um anschließend eine medizinische Behandlung des Kindes zu verlangen. Die Misshandlungen können über schwere körperliche Verletzungen, den Entzug von Nahrung oder Flüssigkeit, Gabe von Medikamenten, bis hin zum Tode des Kindes reichen.

Das Münchhausen-Stellvertretersyndrom wird im ICD-10 unter F68.1 “Artifizielle Störung” (absichtliches Erzeugen oder Vortäuschen von körperlichen oder psychischen Symptomen oder Behinderungen), gelistet.

Epidemiologie

Woher die Störung kommt, ist bis dato nicht bekannt. Ihre Verbreitung ist Gott lob recht gering. Die Rate liegt zwischen 0.2 und 0.4 von 100.000 Kindern bis 16 Jahren. Ziel der Verursacher, es sind nahezu immer Frauen, kann der vermehrte Wunsch nach Aufmerksamkeit sein.

Die Mütter gelten meist als sehr fürsorglich

Typisch für am Münchhausen-Stellvertretersyndrom erkrankten Müttern ist, dass sie von ihrem Umfeld als überfürsorglich eingeschätzt werden und sich meist auch so verhalten.
Zunächst schaden sie heimlich ihrem Kind, oder lösen absichtlich Krankheiten aus, um es später ärztlich intensiv untersuchen und versorgen zu lassen.

Wie kann man eine Erkrankte erkennen

Es ist schwierig Mütter zu identifizieren, die ihren Kindern Leid zufügen. Ärzte sollten genau beobachten, ob eine Mutter ihr Kind nicht alleine im Untersuchungszimmer lassen möchte oder anstandslos auch größeren operativen Eingriffen am Kind zustimmen würde. Oftmals sind die Mütter auch medizinisch vorgebildet, unterstützen das Krankenhauspersonal und umsorgen die eigenen Kinder, denen sie zuvor Krankheiten oder Verletzungen zugefügt hatten.

Wenn Mütter zu Ungeheuern werden

  • Im Jahr 2013 wurde ein ein dreijähriger Sohn in ein Krankenhaus eingeliefert. Der Gesundheitszustand des kleine Buben war so schlecht, dass er in das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) verlegt werden musste. Auch hier verschlechterte sich sein Gesundheitszustand weiter. Das Krankenhauspersonal konnte nicht davon ausgehen, dass das Handeln der Mutter für den Zustand des Kindes ursächlich war. Es stellte sich dann jedoch heraus, dass sie die Verschlechterung mit Speichel, Blumenwasser und Fäkalien verseuchte Spritzen herbeigeführt hatte (Quelle Focus).
  • Eine Mutter spritzte ihrem Kind Luft in die Adern, um dessen Entlassung aus dem Krankenhaus zu verzögern bzw. den Aufenthalt zu verlängern.
  • Eine andere Frau unterbrach die Sauerstoffzufuhr ihres Kindes, um dann dem Arzt zu erklären das Kind leide an Atemstillständen.
  • Eine überfürsorglich geltende Mutter brach ihrer Tochter Beine und Arme und verunreinigte die Bruchstellen, auf die sie vorher noch mit einem Hammer geschlagen hatte, um sich dann in der Klinik über die Herkunft der Hämatome und Infektionen zu wundern.
  • Die Horror-Mütter fälschen die Krankenakten der Sprösslinge, manipulieren Messgeräte, wie Fieberthermometer. Auch nicht indizierte Arzneien werden den Kindern verabreicht, um Erkrankungen beim Kind hervorzurufen.

Kein Unrechtsbewusstsein

Münchhausen-Patientinnen waren meist selbst Opfer psychischer oder physischer Gewalt. Durch die Behandlung des Kindes steigt das Selbstwertgefühl der Mütter. Es ist davon auszugehen, dass die Mütter ihr Kind als Teil von sich empfinden, es als Objekt ansehen. Sie schädigen sich in ihrer Vorstellung mehr oder minder selbst, da sie die Grenze zwischen sich und Kind nicht erkennen können. Kommt es zum Sorgerechtsentzug steigt das Risiko in Depressionen zu verfallen oder führt gar zum Suizid.

Diagnose Münchhausen-Stellvertretersyndrom

Das Verhalten Betroffener entsteht aus einer psychopathologischen Multikausalität. Patientinnen leiden meist an mehreren psychischen Erkrankungen (Komorbiditäten). So ist das Münchhausen-Stellvertretersyndrom mit einer dissozialen Persönlichkeitsstörung vergesellschaftet (Handbuch der Antisozialen Persönlichkeitsstörung).
Wegen der geringen Fallzahlen bestehen keine wirklichen Diagnosekriterien, sondern nur Kriterien, die eine Diagnose rechtfertigen können (Rosenberg 1987):

  • Erkrankungen werden beim Kind durch Mutter fälschlicherweise angegeben, vorgetäuscht, künstlich erzeugt oder aufrechterhalten.
  • Das Kind wird häufig und wiederholt zu medizinischen Untersuchungen vorgestellt.
  • Die Ursachen für das gezeigte oder angebliche Beschwerdebild werden bei einer medizinischen Vorstellung nicht angegeben.
  • Vorhandene oder akute Symptome oder Beschwerden verschwinden, wenn es zu einer Trennung von der verursachenden Person kommt.

Eine überdurchschnittliche Anzahl von Vorstellungen und Behandlungen, besonders bei Symptomen wie Bauchschmerzen, epileptischen Anfällen, Kopfschmerzen, Bewusstseinsverlust, Atemproblemen aber auch ständig wechselnde Symptome, wie die Sehnsucht nach ausgedehnten Krankenhausaufenthalten kann ein Hinweis auf das Münchhausen-Stellvertretersyndrom sein.

Therapiemöglichkeiten des Münchhausen-Stellvertretersyndroms

Die Diagnose des Münchhausen-Stellvertretersyndroms gestaltet sich schon als recht problematisch. Das gleiche gilt auch für die Therapie der Patientinnen. Durch die Komorbidität mit der dissozialen Persönlichkeitsstörung und der Nichttrennung von Kind und eigenem Ich, ist eine Therapie äußert schwierig. Es liegt kein Unrechtsbewusstsein vor, was eine Zusammenarbeit erschwert.
Das Verhältnis zwischen Patientin und Arzt sollte stabil sein. Auf der anderen Seite darf das Kind nicht weiter den Qualen der Mutter ausgesetzt werden. Kommt es zum Sorgerechtsentzug fallen die Patientinnen in ein tiefes psychisches Loch oder lenken ihr krankhaftes Tun auf eines ihre anderen Kinder.

Die Prognosen für Erkrankte und Geschädigte ist eher ungünstig. Die Traumatisierung durch psychische und physische Schädigungen im Kindesalter erhöht das Risiko das gleiche Verhalten später bei den eigenen Kindern zu entwickeln.

Buchtipp

Proxy – dunkle Seite der Mütterlichkeit

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